An so manchem Morgen drücke ich die Zahnpasta mit einem Unbehagen heraus und schmiere sie mir dann auf die Zahnbürste. Ich habe keine Lust es zu tun, ich weiß was es bewirkt und ich weiß sie schützt meine Zähne, aber ich habe einfach keine Lust.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Millionen von Menschen dasselbe in dieser Minute denken. Trotzdem tut es jeder von uns. Nicht weil wir es müssen, sondern weil wir die Auswirkungen fürchten, sollten wir es vernachlässigen.
Einige von euch starren jetzt auf den Bildschirm und fragen sich: „Was genau hat meine Mundhygiene mit Scrum zu tun?“
Ich werde es euch erklären.
Speaker, Seminare und „Ich hab’s denen doch erklärt.“
Es existieren diverse Formate, in denen Speaker ihr Wissen und Informationen preisgeben und sich selbst der Welt mitteilen. Oft werden gute Informationen weitergegeben, die ziemlich knallig durch eine Powerpoint Präsentation veröffentlicht werden.
Leider ist ein 30 minütiger Vortrag über eine Arbeitsweise wie Scrum ineffizient und wirft am Ende nur noch mehr Fragen auf. Dies bedeutet nicht, dass man sich von Speakern oder Veranstaltungen keine Inspiration holen sollte, sondern dass man die Nachhaltigkeit nicht überschätzen darf.
Das gleiche gilt für Seminare, die alle sechs Monate in einem Betrieb zu dem agilen Arbeiten stattfinden. Ein ausgewählter Teilnehmerkreis wird für fünf oder sechs Stunden entführt, es wird ihnen intensiver erklärt was dort passiert und wie es passieren sollte. Oft wird von dem Präsentator eine zu heile Welt beworben und die Erwartungen wachsen in astronomischer Höhe.
Was hier außer Acht gelassen wird ist die Realität.
Was passiert, wenn diese Menschen aus den Seminarräumen und von den Veranstaltungen zurück an ihren Arbeitsplatz traben und das Gesehene nicht mit dem Geschehen übereintrifft? Enttäuschung der Veranstaltungsgäste und der Agile Coach, Scrum Master, oder Präsentator denkt sich: „Ich hab’s denen doch erklärt.“
Doch der nachhaltige Effekt bleibt aus. Die heile Welt, die mit Versprechungen ausgeschmückt wurde, rückt in weite Ferne.
Kleine Schritte – große Effekte
Oft ist eine Veranstaltung ein großes Ereignis. Verschiedene Experten teilen ihr Wissen mit, ohne die Bedürfnisse der Teilnehmer zu kennen. Ein kleines Seminar, mit einem begleitenden Coach oder Scrum Master, hat einen größeren Effekt, als ein Abend voller Spaß und Sekt, den die Teilnehmer mit einem guten Gefühl verlassen. Wichtig ist, in einem kleinen Schritt dieses Gefühl zu kanalisieren und weiterzutragen, um langfristig einen großen Effekt zu erlangen und beizubehalten.
Ich spreche mich hier nicht gegen Veranstaltungen, Speaker oder Agile Coaches aus, die ihre Informationen verteilen, sondern gegen den Umgang, der im Nachgang passiert. Ein kleiner Schritt ist eine Aufbereitung des Wissens, das man von der Veranstaltung mitbringt. Dies kann nur geschehen, wenn man jemanden bestimmt, der die Schreibtätigkeit übernimmt und diese anschließend den Teams oder der Organisation zur Verfügung stellt. Damit kommt man der heilen Welt ein Stück näher. Ohne einen kontrollierenden Blick fällt das schwer.
Zahnpasta und die drei Minuten pro Tag
Ich werde niemals müde zu betonen, dass ein Scrum Master, der am Anfang eines Projektes herangezogen wird, die beste Methode ist Scrum zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Kommen wir zurück zu dem täglichen Ritual, das Millionen von Menschen morgens durchführen – das Zähneputzen.
Jeden Morgen schmieren wir uns für drei Minuten, so lautet die Empfehlung der Ärztekammer, eine Paste auf die Bürste und putzen uns die Zähne. Was bewirkt das eigentlich? Es bewirkt, dass wir die Mundhygiene aufrechterhalten und kostet uns drei Minuten am Morgen und am Abend.
Dasselbe gilt für Sprint-Events wie das Daily, das Refinement, die Retrospektive und das Planning. Diese Routine und die dadurch immer wiederkehrenden Ereignisse, um einen idealen Zustand zu erreichen und aufrechtzuerhalten, ist eine essenzielle Kraft des Scrum Frameworks. Zähneputzen und Daily gehen somit Hand in Hand.
Eine ständige Wiederholung in kleinen Dosierungen veranlasst uns dazu, mehr auf die Materie einzugehen und diese zu verinnerlichen und später sogar weiterzutragen. Wenn man diese Analogie weiterspielt, würde die Zahnseide für das Refinement stehen, gründlich und mit Vorsicht zu genießen, denn man will nicht zu tief einsteigen, aber das Beste herausholen.
Am Ende ist der Besuch beim Zahnarzt wichtig, sowie der Besuch einer Veranstaltung, aber das tägliche Zähne putzen wichtiger.
Daher gilt: Ein Scrum Master pro Team, eine vertrauliche Umgebung und die Routine nicht vergessen.
Fazit
Kleine Schritte helfen den Menschen, das große Ganze betrachten zu können und viele Dinge mit einzuplanen. Ein bombastischer Schuss, der pompös gefeiert wird, kann einen dazu veranlassen auf die richtige Spur zu gelangen. Jedoch um diese zu halten, sollte man sich täglich damit beschäftigen.
Wie mir meine Zahnärztin als Kind immer gerne sagte: „Zähne putzen nicht vergessen!“